Mai der Verwirrung, oder hat die gewisse Rothaarige eine Seele ?!

“Nun, dies war vorüber, dieser Becher war ausgetrunken und wurde mir nicht mehr gefüllt. War es schade darum?.
Es war nicht schade darum. Es war um nichts schade, was vorüber war. Schade war es um das Jetzt und Heute, um all diese ungezählten Stunden und Tage, die ich verlor, die ich nur erlitt, die weder Geschenke noch Erschütterungen brachten.” -Hermann Hesse.
“Nach einer Weile fühlt sich alles gleich an.” So dachte ich es mir, mein lieber Sokrates.
So dachte ich es mir zumindest, als ich Anna zum ersten Mal sah. Sie kam aus dem Park, wo sie ein Tinder Date hatte. Ich und die anderen standen an der Kreuzung, und wollten noch zu einem Späti gehen und Nachschub holen. 
Sie stand neben mir und grüßte mich, ich fand das seltsam, ich dachte mir vielleicht möchte das Mädchen was fragen; ich war in meiner zweiten Trunkheitsphase, und ziemlich gut drauf.
“Wer bist du denn?” fragte ich sie.
“Hi, ich bin Anna!” sagte sie.
Da begab ich mich in die Welt der Verwirrung; für ein paar Wochen werde ich mich wie ein eigentümlicher Idiot verhalten.
Ich sagte nichts weiteres, ich wendete mich Alex an und versuchte mich in sein Gespräch mit Cotten zu integrieren. Ich konnte nicht wirklich irgendwas aus dem Gespräch aufnehmen, alles was ich hören könnte war “Hi, ich bin Anna”…
Alles was ich sehen könnte war ihr wunderhübsches Gesicht, ihre Sommersprossen und ihre volle Lippen.
Nach paar Kurzen, und langen Sekunden der Betäubung, machte sich die Gruppe auf den Weg Richtung Eberswalder Straße, Richtung Leben, hieß es.
“Nach einer Weile fühlt sich alles gleich” dachte ich mir.
5 Stunden danach lag ich neben ihr in der Wohnung einer Freundin; wir sprachen offen, ich starrte sie in die Augen, sie blickte stets weg, hat sich jedoch fabelhaft ausgedrückt, zeigte Interesse, und wies mich gleich ab; dieses Spielchen der Verwirrung, des Chaos, des Alles und Nichts, “diese spielerische Sentimentalität”, Hesse zu Folge.
Ich liebte alles was sie repräsentierte, ich wusste nicht ob das aber genug war um es Liebe zu nennen.
Immer wieder sagt Ahmed, dass es nicht um das Happy End geht, sondern um die Geschichte dem Weg entlang.
Immer wieder sagte ich drauf, dass es um die stille Akzeptanz der Niederlage geht. Ich weiß nicht, warum ich Kriege anfangen mochte, wo ich keinen Sieg am Ende erwarte. 
Das Leben gewinnt immer am Ende, schließt mit dem Tod einen Pakt und die beiden stehen auf der verrosteten Brücke und lächelnd beobachten, wie wir unsere sinnlose Kriege führen um am Ende uns voller Wunden an den Fluss geräuschlos begeben. Nur das Leben gewinnt, nur wir sind die Verlierer.
Ahmed sagte auch, dass ich meine Opfer Rolle genieße, und meine Niederlage sowieso verwirklichen würde, auch wenn ich zum Sieg kommen vermochte. Somit stelle ich sicher, dass ich nie wirklich verliere. Ich bleibe an der sicheren Seite des Normalen.
Anna war klug, sentimental und wusste, was sie wollte, oder zumindest dachte, dass sie wusste, was sie wollte; ganz das Gegenteil zu mir.
Und wie man sagt, sie war “sexy as hell”, blühte wie die goldene Rose von Baden und lächelte wie die Maisonne.
Sie lächelte selten, und wenn sie es tat, machte sie dies gezielt als wäre es sarkastisch gemeint. Sie wusste nicht, dass sie ein warmes Lächeln hat, ein sanftes fabelhaftes Lächeln, das Kriege beenden könnte. Ihr fehlte an nichts um die Königen einer utopischen Welt zu werden.
Sie war aber ständig gestört, gerissen, in ihr kämpften zwei Welten gegen einander, die eine der Angst dominierte meh­ren­teils. Ich fühlte ihre Unsicherheit schon als wir uns an der Kreuzung trafen, sie strahlte Schönheit aus, Delikt und Verwirrung, Unschuld und Bestimmtheit.
Eines Abends als wir im Bett nach einer wunderschönen intimen Sporteinheit lagen, fragte sie mich: “hast du jemals jemanden 
geliebt ?”…
“Ja, mehrmals, sogar”, antwortete ich schnell.
“Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht so genau”, sagte ich nach einem zweiten Gedanke.
“Wie kannst du das nicht wissen?”, sagte sie.
“Hast du?”, fragte ich sie.
“Ja, meinen ersten Freund, zum Beispiel.”, antwortete sie.
“Wie lange wart ihr zusammen?”
“Etwa 4 und halb Jahren.”
“habt ihr zusammen gewohnt?”
“Nein, aber zuweilen habe ich wochenlang bei ihm gewohnt. Er war komisch, irgendwie krank sogar.”
“Deswegen habt ihr nicht zusammen gewohnt?”, fragte ich sie nochmal.
“Nein, nicht wirklich”, sagte sie, und drehte sich um bevor sie weiterfuhr…. “Ich kann es mir nicht vorstellen mit meinem Partner zusammen zu wohnen, ich würde ihm auf den Sack gehen, er mir auch. Ich kann es mir zwar vorstellen mit einem lieben Partner Kinder zu haben, aber nicht mit ihm zu wohnen, komisch oder?”…
Klar kann sie nur allein wohnen, sie ist ein Wassermann, die klarste Definition der Andersartigkeit. Sie, die originelle Individualistin, konnte dafür sorgen, dass mir nie langweilig wird, dass mir an Liebe nie was fehlt. Ich, wie alle mich als “Fels in Brandung” kennen, kann jedoch ihre Brandung auf Dauer nicht aushalten.
Eine Woche ist es nun her, und wir waren heute Morgen zusammen brunchen. Gestern war es etwas stürmisch. Es war der Karneval der Kulturen, und wir
waren beide betrunken, und haben viel Unsinn und gleich viel Wahrheit erzählt. Zum ersten Mal, seitdem wir uns kennen, verlor sie ihre Angst, und sagte was sie fühlte.
Sie zog ihre Angst und Unsicherheit aus, und hängte sie da am Bahnhof Alexander Platz auf, wo wir zusammen weinten; wir hatten alle Gründe der Welt
zu weinen; war es Liebe? Verliebtheit? Mögen?… 
Nur mögen war es auf keinen Fall, es war mehr; im Nachhinein weiß ich, dass es nicht mehr genug war, damit ich mein altes Leben hinter mir lasse
und mit ihr einen neuen Anfang wage. Vielleicht war ich doch bereit dafür, vielleicht sie auch, vielleicht auch nicht.
“Du hast eine Freundin, Mann, was erwartest du von mir? was willst du von mir hören? dass ich dich liebe? das kannst du knicken.”, schreite sie und blickte mit Tränen ersauften Augen weg. “Du kannst dich verpissen, jetzt und hier, ich will dich nicht mehr sehen, ihr Typen seid alle gleich.”
Ich hätte wahrscheinlich doch “Ich liebe dich” erwartet, ich hätte es sogar erwidert, ich hoffte nur, dass sie das nicht sagt. Ich war zu feige, oder liebte ich doch meine Freundin, ich weiß es nicht; er war Mai der Verwirrung.
Montag brunchten wir also zusammen, und sie sagte, sie kann sich an gestern nicht erinnern, ich wollte ihr auch alles ersparen, ich wollte ihren Frieden
nicht stören, denn ich weiß genau, dass das was sie gestern sagte hat sie gemeint, ihre Augen strahlten wie nie mit dem Satz, der nach “Verpiss dich”
kam, als sie mich beim weggehen einholte. Und damit erklärte ich mich zufrieden.
Nachdem Frühstück sagte ich ihr, dass wir alles beenden sollen. Mit der feigen, beschädigten Erklärung, dass ich unerlaubte Gefühle für sie entwickle. Und, dass was wir jetzt haben kompliziert wird und vielleicht auch verletzlich.
Nach mehreren Versuchen von mir nach dem gestrigen Abend zu fragen, wirkte sie skeptisch, und hatte mich mehrmals gebeten, ihr zu sagen, was sie
gestern gesagt haben solle.
Eine Woche später, eine lange Woche voller unerträglichen Qualen, wo ich jede zweite Minute davon träumte, dass sie mir was schreibt, und mich selbst aus dem Traum herausreiße, mich anschreie und mir eine Ohrfeige gebe, schrieb sie mir eine lange Nachricht, mein lieber Sokrates.
Sie fand es schade, dass wir uns nicht mehr sehen, und wollte, dass wir uns schreiben, wenn wir Sex haben möchten. Ich fand das seltsam; das war sie nicht. Sicher nicht. Zumindest nicht sie aus dem jenen Sonntag, nicht sie, die im Alexander Platz weinend ihre Angst hinter sich brachte und ihre wahren Gefühle eingestand. 
“Ich würde das lieber unter vier Augen besprechen”, antwortete ich kurz darauf.
Wir trafen uns im Park; sie lag da, hinreißend wie sie ist. Und ich fühlte als ob die ganze Welt mir ins Ohr schreit: “Das ist die Eine”.
Wir sprachen lange, mit vielen stillen Unterbrechungen. Sie sagte, sie hat das mit der Nachricht nicht gemeint. Sie wollte nur cool wirken. Sie wollte
mir und vielleicht auch sich selbst beweisen, dass sie nicht zur “Generation Beziehungsunfähig” gehöre, was sie da las.
Sie fragte mehrmals, was sie am jenen Sonntag sagte. Ich log sie an, und erzählte, dass sie meinte sie mag mich.
“Das ist doch nicht schlimm, ich dachte ich habe was wie ich liebe dich oder so gesagt. Warum hast du denn solche Angst?”, fragte sie.
Ja, dachte ich mir, und schaute sie an. Sie hatte ihre Sonnenbrille die ganze Zeit auf, sie verbarg sich hinter dem schwarzen Glas.
“Ich sehe es nicht ein, warum wir aufhören sollen, uns weiter zu sehen. Ich weiß du hast eine Freundin, aber wir wissen, dass das nur eine Affäre ist, nichts weiter. Eine Affäre auf Zeit”, fuhr sie fort.
“Was würde dir das bringen, nur Sex mit mir zu haben? mir bringt es nichts.”, fragte ich sie.
Sie antwortete nicht, sie blickte nur weg, und beobachtete die spielenden Hunde in der Ferne.
Da sollte ich es gestehen, da sollte ich sagen: “Anna, ich bin in dich verliebt, warum? keine Ahnung. Ist es falsch? absolut. Aber es ist nun so.”
Wir verabschiedeten uns am Bahnhof; sie verliert immer ihre “Coolness” beim Verabschieden, sie blickt weg, bewegt ihren Kopf rechts zur Seite und schaut links aus dem Rand des einen Auges, hält die Hand vor ihr Gesicht, und zittert vor sich hin bevor sie etwas sagt. 
“Komm mit mir.”, sagte sie, “Das ist doch Kacke, uns so zu verabschieden.”
Ich sagte nichts, ich nickte und lief betäubt mit.
Die Nacht war fabelhaft, der Sex war göttlich. Wir hatten keinen Sex, wir liebten uns bis zum letzten Atemzug, bis zum letzten Schweißtropfen.
Sie küsste mich diesmal richtig, viel, lang und leidenschaftlich, sie weiß ja wie ich Küssen liebe. Sie kam auf mich zu, für paar Minuten war sie mir vollkommen offen; sie landete, und ich war ihr fester Boden.
Am nächsten Morgen, an der Kreuzung vor ihrer Wohnung verabschiedeten wir uns. Ich umarmte sie halbundhalb; sie war diesmal sicher, fest, zitterte
nicht, und drehte ihren Kopf nicht, sie hatte mich tief angeschaut.
“Gutes Arbeiten.” sagte ich ihr.
“Das war aber kühl!.” antwortete sie völlig verwirrt.
“Ja, nicht wahr?” sagte ich beim weggehen.
An einer Kreuzung trafen wir uns, und an einer anderen sahen wir uns zum letzten Mal. Es startete mit Verwirrung, und endete mit Verwirrung.
Hat die gewisse Rothaarige eine Seele?
Ja, gewiss. Eine reine Seele, reiner als alle anderen auf dieser Erde. Von Angst und Selbstschutz geblendet aber rein und edel.
Und das Gemurmel: “Dieser Becher war ausgetrunken…”, trug mich sanft davon.

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