An Nora

1.
Wie jeden langweiligen Morgen ging ich ins Cafe um die Ecke.
Die junge Verkäuferin, die mich fast jeden Mittwoch bedient, empfingt mich mit einem vertrauten Lächeln, und fragte, wie
es mir ging. Nach einer langen Verzögerung meinerseits >>gut, danke<< antworte ich knapp.
Zwischenmenschliche Beziehungen beunruhigten mich schon immer;
ich kann irgendwie nicht lächeln ohne es zu meinen, auch nicht >>und dir?<< fragen, ohne , dass mich die Antwort interessiert. Ich wich ständig jegliche unaufwendige kurze Schein Gemütsbewegung aus.
Sie fragte mich, was heute sein darf. Ich sagte >>wie immer; das glutenfreie belegte Brötchen und ein Becher Tee zum Mitnehmen, bitte<<.
>>sehr gern<<. Sie holte das Brötchen aus der Vitrine, und lässt das Wasser kochen. >>bist du salafist?<< fragte sie ohne Vorbemerkung.
>>wie bitte?<<. 
>>Na, salafist! die konservativen Muslime<<
>>wie kommst du auf sowas?. wegen dem Bart?<<
>>du bist doch Muslim, oder?<<
>>ich weiß nicht was das mit der Bestellung zu tun hat<< antwortete ich mit einer ernsten Geste. Ich fürchtete dass, ich auch dieses Cafe hassen würde und mir ein neues Stammcafé suchen müsste. Auch wenn ich an die “Stamm” Erscheinung nicht wirklich geglaubt hatte, mochte ich besonders dieses Cafe seitdem ich meine Zöliakie Diagnose vor zwei Jahren bekommen habe.
>>sorry, aber ich dachte wir kennen uns ein wenig und mich hat es interessiert<< sagte sie entschuldigend, und gab mir das Becher.
>>willst du salafist werden ? meinst du das mit “interessiert”?<<
>>nein, um Gottes Willen<< sagte sie lächelnd.
Ich merkte dass, ich sie irgendwoher kenne, ihr bezauberndes Lächeln und ihre reizende Mimik kam mir sehr bekannt vor.
>>du meinst, wir kennen uns schon<< frage ich.
>>oh nein, du weißt nicht mehr wer ich bin, oder ?<< sagte sie und sah dabei sehr enttäuscht aus.
>>nicht wirklich, aber das ist normal. Ich bin sehr vergesslich, weißt du<<.
>>wir haben uns letzte Woche beim BASS DIVE kennengelernt. Ich dachte du wusstest schon , dass ich die aus dem Cafe als wir mit einander gesprochen haben<<.
nach einer kurzen Pause erläuterte sie weiter; >>ich bin die Nora mit der du tanzen wolltest. Was ich ja nicht wollte, ich wollte schließlich mit dir lieber sprechen und dich eher mehr kennen lernen als nur tanzen. Ich habe dir das aber  ganz am Ende gesagt, bevor ich nach Hause wollte. Erinnerst du dich?<<.
>>ah stimmt. Es tut mir leid es war dunkel ich habe dich jetzt nicht erkannt. Außerdem es ist gerade 7 Uhr morgens und ich bin kein Morgenmensch. Ich bräuchte ein paar Stunden für mein Gehirnsystem zum Hochfahren<< lächelte ich dabei fröhlich.
>>du bist es also<< sagte ich, >>und warum wolltest du nicht tanzen ?<<
>>sagte ich ja schon. Wir hätten nur ein bisschen getanzt, vielleicht auch geknutscht, aber nichts weiteres. Und ich wollte dich kennen lernen<<. Ihre Wangen waren rot, und ihre braune Augen glänzten wie Venus in jener Frühlingsnacht.
Derartige Freimut hat mich immer fasziniert und ließ mich ausschrumpfen. Ich mochte Leute die ihre Meinung offen äußern können, vielleicht aus dem Grund ,dass man mehr mögen würde, was ihm fehlt. 
Ich mochte Nora.
>>Da sehe ich aber immer noch kein Hindernis<< sagte ich.
>>schön!<< meinte sie kurz, und blickte mir lange in die Augen.
>>hast du eine Telefonnummer ?<< fragte ich sie
>>du bist echt süß. Hast du nie vorher ein Mädchen nach ihrer Nummer gefragt ? << lachte sie laut und offenherzig.
>>Hat keiner dich vorher nach deiner Nummer gefragt ?<< antwortete ich frech.
Sie lachte lange. Ich dachte augenblicklich dass, dieser der ideale Mittwoch ist. So muss er in den Büchern beschrieben werden.
>>So, ich muss leider zur Uni. Wir sehen uns aber.<< sagte ich. >> Und die Nummer ?<<
>> Natürlich<<
Ich verlor meine Positur, somit verlor ich jede szenische Echtheit meines Daseins.
Ich merkte im Bus , dass ich den Tee da vergaß, und auch das Zettel, worauf sie ihre Nummer geschrieben hat.

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