Blumenstrauß

Die Uhr auf seiner Hand zeigte, dass er sich schon wieder verspäten würde.
Eilends trat er aus der vollen S-Bahn aus, und nahm den kürzeren Brückenweg zur Arbeit.
Nach dem Nachmittag Regen, was für jene Jahreszeit üblich war, ist der Weg unter der Brücke besonders voller Wasserpfützen. 
Da an der linken Ecke, auf dem Pappkarton, umgeben von den verstreuten Blumensträuße, saß die alte Blumenfrau.
Er bemerkte sie ab und zu, wenn er den Weg aus irgendeinem Grund wie heute nähme, hatte jedoch nie präzise hingeguckt, was sie da macht. Ausgerechnet heute, wo er schon verspätet war, sah er sie gezielt an, und einige Augenblicke lang starrten sie sich an, sie lächelte ihn zu, und hob ihre Hand mit dem neu gestalteten Blumenstrauß. 
Es war kein richtiger Blumenstrauß, wie man ihn vom Blumenladen kennt, er wurde eher aus halb toten Blumen und abgenutzten Blätter gemacht.
Nichts in der Welt brach seinen Frieden mehr als ihre Blicke.
Er lief weiter, blickte nicht zurück und hoffte nur, dass die Frau ihn auch nicht länger ansah. Nach etwa 150 Metern, kurz vor der Ecke, drehte er sich um und sah hin, wie sich eine Gestalt aus Blätter und Leid häufte, eine von der rätselhaften Leere umgewobene Menschenreste, die das Entsetzliche erwartete.
Kurz sank er seinen Blick in den Boden ab, und betete, dass Gott ihr beistehe, bevor er um die Ecke bog.
In seinem Büro, auf dem großen weißen Tisch saß er vor dem Computer und versuchte sich zu konzentrieren. Alles lief gut, der Tag war nicht wirklich anstrengend, und zwischen Christoph und seinen Kollegen entwickelten sich heute, ausnahmsweise, verschiedenen Gesprächsthemen. Vor dem Schichtende klingelte das Telefon, er nahm es ab, und dachte sich, das wäre sein letztes Telefonat für heute. An dem anderen Ende der Leitung sprach eine Frau voller Frust und Aufregung, dass man ihr falsche Informationen gab, dass in dem Hotel in Düsseldorf noch Zimmer frei seien. Nur er war heute zuständig für die telefonische Kundenservice, könnte sich jedoch weder an die Frau noch an das Telefonat erinnern.
Vergeblich versuchte er sich bei der Kundin zu entschuldigen. Auch seine Bemühungen ein freies Zimmer irgendwo in Düsseldorf zu finden waren gescheitert, und musste im Endeffekt der Frau mitteilen, dass für sie keine Möglichkeit gäbe, in dem Hotel heute zu nächtigen.
Sie schrie und beleidigte das Hotel und sein Personal und die unglaublich schlechte Service, und legte auf nachdem sie seinen Namen aufschrieb, mit der Drohung, dass sie sich offiziell reklamiere. 
Ihr Tag lief bisher ausgezeichnet, nun muss sie draußen die Nacht verbringen. Sie hatte genug Geld um ein anderes Hotel zu suchen, oder gar die Nacht in einer Bar zu verbringen, nur könnte sie Verbitterung auf eine unerklärliche Weise nicht verstehen
Sie lief die Straße runter, und fing an, an ihre Mutter zu denken, ihre Worte klingelten noch klar nach all diesen Jahren in ihren Ohren, dass sie aus ihren friedlichsten Momenten herausgerissen würde. Sie sah die Neon Farben auf der Straße und die Stände der Blumenläden und betrachtete die Gesichter der an sie vorbei gelaufenen Leute, und dachte nur an ihre Mutter und ihre Liebe zu den Blumensträußen.

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